Der Damm ist ein Teil des türkischen Südostanatolien-Projekts (SAP). Es sieht vor, die Flüsse Euphrat und Tigris an ihren Oberläufen mit insgesamt 22 Dämmen aufzustauen. An den Stauseen sollen 19 Wasserkraftwerke Strom erzeugen, dazu sind Bewässerungsanlagen geplant. Das SAP ist das größte Entwicklungsprojekt der Türkei, 2010 soll es abgeschlossen sein. Ilisu liegt nahe der Grenze zu Syrien und Irak im hauptsächlich von Kurden bewohnten Südosten des Landes. Der 1820 Meter breite und 135 Meter hohe Erddamm soll den Tigris aufstauen. Dabei entsteht ein Stausee von 135 Kilometer Länge und einer Fläche von 313 Quadratkilometern. Sein Wasser soll zur Stromerzeugung in einem 1200-Megawatt-Kraftwerk dienen. Nach der für 2012/2013 geplanten Betriebsaufnahme könnte es 3,2 Prozent des gesamten in der Türkei erzeugten Stroms liefern.
[B]Kultureller und politischer Sprengstoff[/B]Das Projekt war von Anfang an heftig umstritten. Der Stausee wird die Kreisstadt Hasankeyf und 198 weitere Siedlungen ganz oder teilweise überfluten. Dafür müssen, wie die frühere Weltbankexpertin und Soziologin Ayse Kudat ermittelte, bis zu 78 000 Menschen umgesiedelt werden. Der offizielle Umsiedlungsplan nennt demgegenüber 43 000 Betroffene, die Projektbetreiber gingen sogar von nur 12 000 bis 15 000 Umsiedlern aus. Unklar ist zudem, ob diese Menschen ausreichend entschädigt werden und wie sie künftig ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen stellt die türkische Regierung kein ausreichendes Budget für die Umsiedlung zur Verfügung.
Weiter droht der Damm, die Spuren von 9000 Jahren Menschheitsgeschichte auszulöschen. In den Fluten des Stausees werden archäologisch bedeutsame Fundstätten versinken, darunter Ruinen von Städten, in denen einst Assyrer, Perser, Griechen, Römer, Byzantiner und Seldschuken wohnten. Ebenso wird die antike und mittelalterliche Stadt Hasankeyf geflutet, auch die einzigartige Kulturlandschaft des Tigristals gibt es dann nicht mehr. Zwar sollen Teile des kulturellen Erbes abgetragen und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. Ob dies in der knappen verfügbaren Zeit gelingen kann, ist indes fraglich. Auch politisch birgt der Damm Sprengstoff: Er bietet der Türkei die Möglichkeit, den Wasserfluss im Tigris in die Anrainerländer Syrien und Irak für mehrere Monate zu unterbrechen. Damit besitzt die türkische Regierung ein Erpressungspotenzial, das die Spannungen in der konfliktreichen Region weiter verschärfen kann.
Quelle: focus.de
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